Unter den zeitgenössischen Künstlern sticht der serbische Maler Nikola Sarić hervor. Sarić trägt biblische Bildgeschichten in eine junge Kunstszene. Dabei gelingt es ihm, stilvoll die Tradition der Ikonenmalerei aufzunehmen und für ein modernes Publikum zugänglich zu machen. Wir besuchten Saric in seinem Atelier in Hannover und sprachen über Religion, die Aufgabe der Kunst und sein Heimatland Serbien.
Sehr geehrter Herr Sarić, ich freue mich wirklich sehr, Sie heute in Ihrem Atelier in Hannover besuchen zu dürfen. Sie haben einmal gesagt, dass sie als Suchender nachhaltig beeindruckt waren von der tiefgreifenden Schönheit eines Freskos im Kloster Studenica in Serbien. Was hat Sie so beeindruckt, dass Sie Ihr ganzes Leben in den Dienst der Kunst stellen?
Sarić: Die Frage, wie ich zur Kunst gekommen bin, gestaltet sich etwas komplexer. Es war ein längerer Weg, der nicht in einem Punkt bestimmbar ist. Was das erwähnte Fresko betrifft, so war es eine Interpretation meines damaligen Professors, die mich ebenso stark beeindruckt hat wie die Wandmalerei selbst. Als ich dann auf Rat eines Priesters zu dem Kloster gefahren bin, haben mich vor allem die Stimmung und die Umgebung beeindruckt. Zusätzlich war es Jesu Gestalt, die diese Kreuzigungsdarstellung für mich von allen anderen abgrenzten, und dann gab es für mich auch diesen einen Moment, wo ich einfach sprachlos und total überwältigt war.
Auf meinen eigenen Urlaubsreisen durch Serbien fällt mir vor allem immer auf, dass die Menschen dort, trotz mangelnden Wohlstands, einen glücklicheren Eindruck machen als die Menschen in den reichen, westlichen Industriestaaten. Sehen sie das ähnlich? Wie empfinden Sie die Unterschiede zwischen Serbien und Deutschland?
Saric: Ich weiß nicht, ob die Leute glücklicher sind. Die Leute haben viel größere, existenzielle Probleme, die nicht nur auf Geld zurückzuführen sind. Allein die Infrastruktur und die politische Gesellschaft sind grundlegend anders. Die Menschen dort leben seit dreißig Jahren in dieser Situation, das ist nicht zu vergleichen mit Deutschland. Zwangsläufig haben sie auch gelernt damit zu leben und sich so einzurichten. Dadurch wird es gleichzeitig aber auch einfacher, glücklich zu werden, wie durch Essen, Musik oder Trinken. Wenn man allerdings tiefer hinter diese Fassade schaut, da sind nach wie vor viele große Probleme.
Wie ist Ihr heutiges Verhältnis zu Serbien, können Sie sich vorstellen eines Tages dorthin zurückzukehren?
Sarić: Nein, das kann ich mir jetzt überhaupt nicht vorstellen. Ich habe in Deutschland alles was ich möchte, ich kann mir zurzeit überhaupt nicht vorstellen woanders zu leben. Generell sind auch in Deutschland die Möglichkeiten für Künstler einfach besser, aber das ist nicht der einzige Grund warum ich hier bin.
Sie haben es geschafft, die Ikonenmalerei auch für diejenigen zugänglich zu machen, die nicht durch eine orthodoxe Tradition mit ihr verbunden sind. Wie erklären Sie sich die Renaissance der orthodoxen Ikonenmalerei im Allgemeinen und was glauben Sie beeindruckt die Leute an Ihrem Ansatz im Speziellen?
Sarić: Diese Renaissance der Ikonenmalerei gibt es schon länger, etwa nach dem Krieg, mit Fotis Kontoglou in Griechenland. Er hat die byzantinische Kunst reanimiert und es durch die Malerei geschafft, die mittelalterliche Sprache populär zu machen. Seine Studenten haben es weitergetragen, und deswegen verbinden wir heutzutage die Ikone – leider ausschließlich – mit byzantinischer Malerei. Die zweite Welle der Revitalisierung der Ikone, besonders in Osteuropa, kam nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme, der den christlichen Kunstformen viel mehr Freiheit verschaffte. Daraufhin gab es in den osteuropäischen Staaten und natürlich auch in Serbien ein großes Interesse an dem orthodoxen Glauben, und die Leute fingen an, massenweise wieder in die Kirchen zu gehen und teilweise sogar diese neu aufzubauen. Logischerweise ergab sich dadurch auch ein praktischer Bedarf an Ikonen. Die meisten Ikonenmaler haben sich also auch einfach an Geschmack und Mode orientiert. Das heißt, es muss glitzern, „schön“ und günstig sein. Man fragt sich, ob man von Kunst reden kann, wenn wir heute bis zur Nase in dem Haufen von kitschigen Konsumprodukten nach den Wünschen der Kunden stehen. Auf der anderen Seite gibt es in jüngster Zeit die wahre Renaissance der christliche Kunst, nämlich von denjenigen, die gleichzeitig von der künstlerischen und theologischen Seite kommen. Was mich und viele andere bei solchen Arbeiten beeindruckt, ist eine Mischung von eigenständigen Gedanken, Talent, Spiritualität und Mut.
Besonders bekannt sind Sie durch das Bild der „21“ geworden, das die Hinrichtung an 21 koptischen Christen durch den IS an der lybischen Küste darstellt. Auch das neue Buch von Martin Mosebach, der eine Reise zu den Wurzeln der Kopten und der Familien dieser „21“ unternimmt, ist von Ihrem Bild geziert. Im Buch bezeichnet Mosebach das Martyrium, als „eine Möglichkeit, ein Leben voller Fehler und Peinlichkeiten, Halbheiten und Unaufrichtigkeit in einem einzigen Moment zu einem guten zu machen.“ Was ist Ihre Intention hinter der Darstellung der „21“?
Sarić: Die Idee dieses Bild zu malen kam mir eigentlich recht spontan, ich hatte weder eine konkrete Intention oder einen speziellen Auftrag. Ich habe die Fotos und die Videos dieser Hinrichtung gesehen und das hat mich tief berührt. Das habe ich einfach so auf mich wirken lassen und dabei kam die Idee für das Bild. Kurz darauf habe ich dann den koptischen Bischof Anba Damian kennengelernt, der eine Ausstellung mit mir machen wollte. Dadurch ergab sich die Gelegenheit das Bild zu malen und zu präsentieren.
Ihre im neo-archaischen Stil gehaltene Darstellung nimmt keine Rücksicht auf das tatsächliche Aussehen der „21“. Sie ordnen sie somit in die alte Märtyrertradition ein, die zugleich die Schilderung von Individualität vermeidet. Denken Sie, dass dieses Martyrium der 21 den Menschen, die nicht ans Christentum glauben, auch etwas zu sagen hat?
Sarić: Ich glaube, dass so ein großer Schritt, ein Martyrium, den Leuten generell fremd ist. Mir selbst erscheint die Opferbringung für Gott auch sehr weit weg, obwohl ich viele Martyriumsgeschichten kenne. Oft betrifft es unsere abendländische Lebenswelt nicht, weil man es nicht direkt erlebt und wir sonst als Menschen sehr selten in der Lage sind, ein Opfer für etwas oder jemanden zu bringen. Ich frage mich selbst, ob dieses Martyrium der 21 in der Öffentlichkeit überhaupt etwas „gebracht“ hat, weil wir fast täglich solche grausamen Geschichten aus Afrika und dem Nahe Osten mitbekommen, und es passiert sehr wenig. Wenn überhaupt, dann merkt man doch eine Auswirkung bei Christen. Viele haben sich bei mir gemeldet und ihre Gefühle ausgedrückt. Letztendlich hat das Martyrium der 21 viele Menschen zusammengebracht, mit allen ihren Gefühlen und ihrem Glauben.
Was glauben Sie beeindruckt die Menschen gerade in unserer postmodernen, von großen Sinnzusammenhängen befreiten Gesellschaft, an dem Mut, sich für eine größere Sache zu engagieren?
Sarić: Ich glaube, das Beeindruckendste ist das Menschsein selbst. Das erleben wir durch Selbsterkenntnis und die Auseinandersetzung mit Wesen und Werken der anderen Menschen. In diesem Zusammenhang gibt es schon viel Potenzial um Tiefe und Höhe zu empfinden.
Kann so ein Erleben auch durch die Kunst ausgelöst werden?
Sarić: Ja, die Kunst kann ein Impuls sein um zu etwas Weiterem zu kommen. So war es in meinem Fall, da ich die wichtigsten Momente meines Lebens durch die Kunst erlebt habe. Die Kunst hat also das Potenzial, etwas Geistiges und auch Geistliches zu vermitteln und den Menschen natürlich emotional zu verändern. Kunst kann vieles, sofern wir uns auf die Inhalte einlassen.
Wie ist Ihr Verhältnis zur zeitgenössischen Kunst und was glauben Sie, wobei kann die Kunst dem Menschen in Zukunft noch dienen?
Sarić: Ich denke, ich bin selbst ein zeitgenössischer Künstler, weil ich durch die Kultur unsere Zeit geprägt bin. Alles was man um sich sieht, hinterlässt irgendwie eine Spur im Inneren. Mich interessiert sehr, was die Zeitgenossen machen. Die sind mir viel näher als die mittelalterlichen Maler. Zurzeit recherchiere ich die Arbeiten von Agnes Martin, Merab Abramishvili und James Turrell.
Wobei kann die Kunst dem Menschen dienen, welche Aufgabe hat die Kunst?
Sarić: Kunst hat in der Geschichte Vielen gedient und viele Rollen gespielt, und damit meine ich schlechte und gute Rollen. Die Menschen haben die Kunst immer genutzt, um sich auszudrücken, etwas zu beschreiben oder zu kommunizieren. So wird es weitergehen, weil es einfach ein untrennbarer Teil des Menschseins ist. Die Inhalte der Ausdrucksformen werden immer komplexer und die Möglichkeiten, etwas zu vermitteln, immer größer. Der Bedarf und das Interesse an der Kunst bestehen zweifellos und sind intensiver als jemals in der Menschheitsgeschichte zuvor. Das sollte man wahrnehmen und die Sachen in die Hand nehmen.
Zum Abschluss: Welche Projekte planen Sie für die Zukunft?
Sarić: Gerade arbeite ich an einem Projekt für eine Kirche in Brandenburg. Dazu kommen in diesem Jahr Ausstellungen in den Niederlanden, in Polen und Frankreich. Mal sehen, was sich noch in diesem Jahr ergibt. Die Informationen können Sie rechtzeitig auf meiner Webseite finden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Ich danke Ihnen!
Das Interview wurd am 09.04.2018 veröffentlicht und ist hier auf der Website von ANBRUCH nachzulesen. (Die Fotografien sind Privataufnahmen.)